Nachruf auf Dr. med. Hans-Christoph Scheiner

19.06.2012

Markus Kern und Karl Richter im Namen der Kompetenzinitiative e.V.

Der bekannte Arzt Dr. med. Hans-Christoph Scheiner ist am 13. Juni seinem Herzleiden erlegen. Über 30 Jahre war er als Facharzt für Allgemeinmedizin in seiner Münchner Praxis tätig, mit Schwerpunkt auf Diagnostik und Therapie chronischer Erkrankungen und ihrer Umweltbedingungen. Auch Chirotherapie, Homöopathie und Psychotherapie gehörten zu seinen ärztlichen Domänen. Besonders bekannt wurde er dann als engagierter Vorkämpfer der mobilfunkkritischen Bewegung. Sein gemeinsam mit der Gattin und Mitstreiterin Ana Scheiner geschriebenes und im Michaelis-Verlag herausgebrachtes Buch Mobilfunk, die verkaufte Gesundheit (1. Aufl. 2006) fasste den Stand wissenschaftlicher und ärztlicher Erkenntnis zusammen und öffnete vielen Menschen die Augen für die Risiken. In medizinischen und gerichtsmedizinischen Gutachten trat Scheiner für die Betroffenen ein, ein verlässlicher Kämpfer insbesondere auch gegen die Leiden und für die Interessen elektrohypersensibler Menschen.

Die Kompetenzinitiative verliert mit ihm einen wertvollen Mitstreiter für Gesundheit, Umwelt und Demokratie, dessen Wirken von Anfang an mit ihrer eigenen Geschichte verbunden war. Er gehörte zu den Mitbegründern der Initiative wie ihrer Broschürenreihe Wirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks. In zahlreichen Vorträgen und einer 2009/2010 angebotenen Ringvorlesung versuchte er Ärzten und interessierten Laien sein reiches wissenschaftliches und ärztliches Wissen weiterzugeben. Aber er gehörte auch zu den ersten, die erkannten, dass die ärztlich-wissenschaftlichen Aktivitäten allein gegen die Allianz der Mächtigen und des Kapitals nicht ausreichen, sondern um die Suche nach Gerichten ergänzt werden müssen, die sich nicht zu Stützen eines Systems degradieren lassen, das sich über den Stand internationaler Erkenntnis ebenso hinwegsetzt wie über gesetzlich garantierte Menschenrechte. Als erfahrener Gerichtsgutachter konnte er im Fall eines im französischen Nantes geführten Prozesses maßgeblich beitragen, dass Elektrohypersensibilität als Faktor der Gefährdung und beruflichen Behinderung anerkannt wurde. Dem Nachruf des mit ihm befreundeten Journalisten Klaus Scheidsteger ist zu entnehmen, dass auch Aussichten bestehen, dass diese juristische Seite seines Engagements auf amerikanischem Boden weiterwirkt.

Der menschliche Nähe verratende Nachruf von Klaus Scheidsteger, den wir unseren Zeilen anfügen, spricht auch sonst sicher vielen aus dem Herzen, die mit Hans freundschaftlich verbunden waren. Zu den Besonderheiten dieser freundschaftlichen Verbundenheit gehörte, dass ihr selbst gelegentliche Meinungsverschiedenheiten nichts anhaben konnten. Was am Ende von Scheidstegers Zeilen steht, fasse auch unsere über den Tod hinausreichende Verbundenheit zusammen – auch im Sinne einer Verpflichtung zu eigenem Engagement: Hans, wir danken Dir!

Markus Kern und Karl Richter
für die Kompetenzinitiative
zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e. V.
Kempten und St. Ingbert, 19. Juni 2012

Nachruf von Klaus Scheidsteger

Nachruf auf Dr.med. Hans-Christoph Scheiner
von Klaus Scheidsteger

Tod eines Forschungsreisenden

Mein Freund Hans-Cristoph Scheiner ist von uns gegangen. Am Abend des 13.Juni erlag er im Uni-Klinikum München-Großhadern seinem Herzleiden. Die Menschen, die ihm verbunden waren, wussten um seinen jahrelangen Kampf, dennoch fällt es allen schwer seinen Fortgang zu begreifen.

Ein wenig muss ich mit ihm schimpfen, denn Hans war sich selbst ein schlechter Arzt. Tag und Nacht, an sieben Tagen in der Woche war er für seine Patienten da. Sie waren ihm wichtiger als seine eigene Gesundheit. Immer wieder hatte er seinen Freunden versprochen kürzer zu treten, doch so richtig bekam er das nie hin. Zu sehr lag ihm das Leid der Anderen am Herzen, um seinem eigenen Rechnung zu tragen. Wohl eine Charaktereigenschaft von Ausnahme-Medizinern …

Hans verstand sich als ein ganzheitlicher Arzt, als ein Umweltmediziner der den tatsächlichen Ursachen einer Krankheit auf die Spur kommen wollte. Bereits in den achtziger Jahren verließ er zunehmend das Feld der klassischen Schulmedizin. Wiewohl Hausarzt im traditionellen Sinne der persönlichen Zuwendung, war ihm das zunehmend unmenschlich anmutende Gesundheitssystem ein Greul. Das schnelle Geschäft als Rezeptverordner war sein Ding nicht. Hans lernte die Naturheilkunde, die Homöopathie, die Akupunktur die Ohrakupunktur, die EAV und so weiter und so weiter. Ganz im Sinne der Bescheidenheit des Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“

Immer auf der Suche nach den Ursachen entdeckte er sehr früh die Gefahren des Mobilfunks. Im Laufe der Jahre wurde seine familiär geführte Praxis mit seiner wunderbaren Frau Ana an seiner Seite zur Pilgerstätte elektrosensibler Menschen. Zunächst kamen sie aus allen Teilen Deutschlands, zuletzt aus der ganzen Welt! Und natürlich war seine Praxis auch sein Zuhause, wie sollte es anders gehen? Alles unter einem Dach, immer volles Haus bei Hans und Ana. Im Kellergeschoß standen oft das Bett und die Schaltzentrale von Uli Weiner, während auf der anderen Seite des Raumes die kleine Partei den Aufbruch probte. In der Küche beruhigte Ana den fünfhundertsten mobilfunkgeschädigten Anrufer an diesem Tag, im Wohnzimmer tagte der internationale Verein für die Eingliederung der Elektrosensiblen in die Amerikanische Verbrauchersammelklage und Ursula ratterte das Scheiner‘sche Gutachten in den Computer, dass Hans in der Nacht geschrieben hatte. Der ganz normale tägliche Wahnsinn bei Scheiners in Obermenzing…

Wenn er dann mal Urlaub hatte zog es ihn an den Plattensee, dort konnte er prima schreiben, an einem Buch, einem Exposé, einem Gutachten für die Franzosen. Er hätte es sich leichter machen können, im Liegestuhl am Balaton, aber nein, man müsste ja am Ball bleiben und den unbeirrbaren, mutigen Kampf gegen die übermächtige Mobilfunklobby weiter führen. Mensch Hans, ich muss mit Dir schimpfen! Von Life-Work-Balance wohl noch nie was gehört?

Musizieren wollte er noch und vielleicht eines Tages ein kleines Konzert arrangieren mit dem Kollegen George Carlo, dem anderen Workaholic auf der anderen Seite des Teiches, der von Washington D.C. aus die Strippen zieht und schon im nächsten Jahr die Früchte der Beharrlichkeit ernten wird. Hinter den Kulissen spitzt sich der juristische Kampf zu und der mutige Richter Franklin Burgess am D.C. Superior Court hat sogar den Anklagepunkt der Konspiration, der Verschwörung anerkannt und die Mobilfunkindustrie darauf hingewiesen, dass sie es doch waren, die weltweit den technischen Standard, das Design, die Richtwerte gemeinschaftlich festgelegt haben. Hans Scheiner wird erst postmortal die Früchte dafür ernten, dass er auch an diesem internationalen Projekt mitgearbeitet hat. Auch George Carlo hat einen Freund verloren, er schreibt:

„Hans war ein wunderbarer Mensch der jeden berührte, den er traf. Er war ein brillanter und zur gleichen Zeit zugänglicher Mensch. Meine Frau Laurie und ich werden immer einen Platz in unserem Herzen für ihn behalten, mit den besten Erinnerungen an seine persönliche Liebenswürdigkeit. Hans hinterlässt ein Vermächtnis all denen zu helfen die krank sind und mit anderen Dingen zu kämpfen haben. Die Welt wird ihn vermissen aber seine Beiträge und sein Vorbild leben weiter. Er hat ein erfülltes Leben geführt.“

In seinem Buch: „Mobilfunk-die verkaufte Gesundheit“ hatte Hans akribisch den Stand der internationalen Forschung nachgezeichnet und analysiert. Das im Jahre 2006 erschienene Werk hatte zum Zweck, Zitat: „Bürgerinnen und Bürger die entsprechende Kompetenz und Argumentationshilfe an die Hand zu geben, sich zu wehren. Politiker wachzurütteln, diesem öffentlichen Blindekuh spielen, dieser Beihilfe zur fahrlässigen Körperverletzung und Tötung durch Mobilfunk und sonstige Hochfrequenzen ein Ende zu bereiten.“ Das Buch, das als Co-Autor auch Ana Scheiner an Bord hatte, eröffnet mit einer Widmung und einem Nachruf auf den Umwelt-Physiker und mobilfunk-kritischen Pionier Prof. Dr. Neil Cherry, Neuseeland, von dem Hans so begeistert war, weil Neil Cherry den Mut gehabt hatte, juristisch gegen die WHO wegen deren extrem hohen Grenzwertsetzung vorzugehen. Nur acht Wochen vor Cherrys Tod hatten Hans und Ana den Forscher in Neuseeland besucht und interviewt. Ich darf mir ein Plagiat erlauben und die Worte die Hans für Cherry fand eins zu eins übernehmen: „Lieber Hans, wir danken Dir von Herzen für Dein Lebenswerk. Die Segenswünsche der Menschen auf der ganzen Welt, denen Du so selbstlos geholfen hast, werden Dich auch auf der anderen Seite des Daseins erreichen!

Klaus Scheidsteger
München, den 15.6.2012